Samstag, 25. Februar 2017

Rebschnitt

Gerne nehmen wir Sie mit zum "Reben schneiden".




In einem Artikel der Bietigheimer Zeitung erfahren Sie viel Interessantes über den Rebschnitt.






Danke an die Bietigheimer Zeitung,  die uns gerne die Erlaubnis zur Veröffentlichung hier gegeben hat.

Schnitt für Schnitt zum guten Wein
REPORTAGE: In der kalten Jahreszeit ruhen die Reben in den Weinbergen. Für den Wengerter Klaus Weiberle ist allerdings keine Zeit, die Hände in den Schoß zu legen. Mit dem oft kontrovers diskutierten Rebschnitt legt der Hohenhaslacher die Basis für  eine erfolgreiche Weinproduktion in diesem Jahr.
SACHSENHEIM. Ganz genau schaut sich Klaus Weiberle den Rebstock an. Jeden Trieb und dessen Fruchtaugen begutachtet er akribisch, bevor er mit seiner Rebschere Hand anlegt. Sein Gesicht strahlt dabei, und dies nicht nur, weil die Sonne an diesem Vormittag die Reblagen am Hohenhaslacher Kirchberg verwöhnt. „Ich mag diese kreative Tätigkeit des Rebschnitts sehr. Damit kann ich dem Weinstock Form geben und sein Wuchsbild prägen. Zudem lege ich durch den Rebschnitt den Grundstein für die kommende Weinsaison. Durch die Anzahl der Fruchtknospen, die ich stehen lasse, bestimme ich, ob daraus Trauben für einen Wein mit Premium- oder Basisqualität wachsen sollen“, erklärt der Wengerter aus dem Kirbachtal.
Bereits im Alter von acht Jahren hat Weiberle von seinem Vater Gustav den Winterschnitt der Weinreben gelernt. Auch seinen drei Kindern hat er dieses Wissen wieder weitergegeben. „Das Lernen des richtigen Rebschnitts ist vor allem eine Sache der Praxis. Man lernt durch die Anwendung. Der Rebstock verzeiht viel. Auch wenn der Rückschnitt sehr krass ausfällt, kann die Rebe noch hohen Ertrag bringen. Es dürfen daher auch Fehler gemacht werden“, macht Weiberle deutlich. Beim Rebschnitt verfolgt jeder Winzer seine eigene Philosophie. Es gibt viele Methoden, die im Laufe der Jahre untersucht und ausprobiert worden sind sowie immer noch getestet werden. Der historische Ursprung des Rebschnitts geht weit zurück. In vorchristlicher Zeit sollen in Palästina ein Esel oder eine Ziege an einem wilden Weinstock Triebe abgeknabbert haben, aus deren Stummeln sich anschließend neue Triebe mit besonders saftigen, vollen Trauben entwickelten.
„In den vergangenen 100 Jahren hat sich bei uns vor allem die klassische Spaliererziehung durchgesetzt. Sie ist arbeitswirtschaftlich und vom Ertrag her am sinnvollsten. Dabei wird ein Haupttrieb und ein Ersatztrieb beim Winterschnitt stehen gelassen. Später binden wir den Haupttrieb in einem leichten Bogen nach unten an“, erläutert Weiberle. Davon unterscheidet sich die sogenannte Vertikoerziehung der Reben, die ebenfalls relativ weit verbreitet ist. Dabei wachsen die Triebe vom Stamm aus vertikal nach oben und werden so belassen. Beim Minimalschnitt wiederum, der beispielsweise in Australien häufig zur Anwendung kommt, wird dem natürlichen, ursprünglichen Wuchs der Reben in der Krone von Bäumen oder Sträuchern am meisten Rechnung getragen, denn der winterliche Rebschnitt reduziert sich nur auf die Korrektur von wenigen Trieben. „Beim Spalierschnitt dagegen kann ich am besten, auch das Jahr hindurch, noch in den Wuchs verbessernd eingreifen. Das geschulte Auge sieht dabei auf den ersten Blick, welche beiden Triebe am Stock verbleiben sollten. Die Triebe dürfen keine Beschädigungen haben, da sie sonst an diesen Schadstellen später leicht brechen könnten. 12 bis 14 Fruchtaugen lasse ich pro Trieb für eine Basisqualität des Weines stehen. Will ich eine Premiumqualität erzielen, sind es weniger Fruchtaugen. In diesen ist schon der spätere neue Trieb mit dem künftigen Traubenansatz als kleiner Embryo angelegt“, betont der Wengerter aus Hohenhaslach.
Weiberle teilt sich die Arbeit mit seinem Vater Gustav, der mit seiner bequemer zu handhabenden Elektroschere die Vorhut im Weinberg bildet und die meisten Triebe an den Rebstämmen bereits wegschneidet. Sein Sohn Klaus ist für den Feinschliff zuständig und wählt schließlich die Länge von Haupt- und Ersatztrieb aus. „Der Ersatztrieb ist wichtig, um eventuelle Spätfrostschäden noch im April oder Mai ausgleichen zu können. Im Bogen angebunden wird der Haupttrieb erst im Frühjahr, wenn der Pflanzensaft fließt. Wenn der richtige Zeitpunkt erreicht ist, sagen Fachleute, dass die Rebe weint, weil der Saft aus dem Schnitt tropft. So lässt sich der Trieb leichter biegen und bricht nicht. Die Rieslingreben sind elastischer, als die Lembergerreben, die viele sogar nur bei Regen biegen wollen“, berichtet Weiberle. Durch die Biegung wird der Saft im Trieb gestaut und im Basisbereich bilden sich zahlreiche neue Triebe aus, die in den Drahtrahmen hineinwachsen und sich dort fest ranken. Ohne diesen Bogen bekommt die Rute vor allem an ihrer Spitze zahlreiche Neutriebe, was den vertikalen Wuchs fördert.
„Früher wurden die Triebe ganz traditionell mit Weiden festgebunden. Dies ist heute viel zu aufwändig. Wir benutzen dafür einen flexiblen, 0,8 Millimeter dünnen Draht. Der Rebschnitt zählt insgesamt zu den arbeitsintensivsten Tätigkeiten im Weinberg im Laufe des Jahres. Wie viele Ranken abgeschnitten werden müssen, ist auch Sorte zu Sorte unterschiedlich. Beim viel rankenden Riesling sind es mehr als beim Trollinger zum Beispiel. An einem Tag führen wir bis zu 10 000 Schnitte durch und sind mit einem Hektar Rebfläche 60 bis 120 Stunden beschäftigt“, unterstreicht der Wengerter aus dem Kirbachtal. Er kann sich die Arbeit mit dem Rebschnitt auf seinen insgesamt sechs Hektar großen Reblagen einteilen. Weiberle nutzt meist das sonnige Wetter aus und genießt die Ruhe im Weinberg. Das Handy ist aus, der Alltag für ein paar Stunden weit weg. „Für mich ist der Rebschnitt draußen in der Stille der Natur eine willkommene Abwechslung zur Arbeit im Weinkeller oder im Büro. Das Zeitfenster für den Rebschnitt ist relativ groß. Im Prinzip können wir damit anfangen, wenn nach dem ersten Frost die Blätter an den Reben abgefallen sind. Bis in den März hinein kann diese Arbeit andauern. Bei Betrieben mit großen Rebflächen gibt es natürlich sehr viel mehr zu tun. Sie stellen dafür auch Mitarbeiter ein, die nicht nur bei strahlendem Sonnenschein aktiv sind, sondern unter Zeitdruck auch bei nasskalter Witterung raus in den Weinberg müssen“, erzählt Weiberle.
Beim Rebschnitt selbst lernt auch der erfahrene Wengerter nie aus. So hat der Hohenhaslacher erst jüngst eine Schulung besucht, in der er sich über eine neue Art des wundarmen Rebschnitts informierte. Dabei werden oben am Wundstamm durch den Schnitt möglichst wenig Wunden verursacht, durch die der gefürchtete Mittelmeer-Feuerschwamm eindringen könnte. Diese Pilzkrankheit trat in den vergangenen Jahren vermehrt auch in unserer Region auf und führt zum Absterben der Pflanze. „In Italien wurde über diese neuartige wundarme Art des Rebschnitts sehr viel geforscht. Vor allem jüngere Rebanlagen eignen sich für Tests. Ich probiere es in diesem Jahr aus und will sehen, ob diese Schnittart erfolgreich ist“, stellt Weiberle fest.
Sein Vater Gustav will von diesen Versuchen nur wenig wissen. Er hält sich lieber an die Tradition und schneidet die Riesling-Reben, die seit 1989 in diesem Abschnitt des Weinbergs wachsen, wie die vorangegangenen Generationen auch. „Stirbt ein Weinstock in einer Rebanlage ab, ist es kaum möglich, diesen durch einen jungen Stock zu ersetzen. Der Boden ist von den anderen Rebstöcken, die jahrelang gewachsen sind, so durchwurzelt, dass der junge Rebstock sich kaum behaupten kann. Bis zu 40 Jahre kann eine Reblage bestehen bleiben, bevor sie gerodet und neu angelegt wird“, erklärt Weiberle. Die abgeschnittenen Triebe lässt er übrigens in den Weinbergen liegen. Das Rebholz wird beim Mulchen klein gehäckselt und liefert dem Boden wieder wichtige Nährstoffe, die dem Rebstock erneut zugutekommen. „Ein Großteil des Humusbedarfs kann auf diese Weise im Weinberg gedeckt werden. Früher wurden die abgeschnittenen Ranken eingesammelt und zum Anfeuern des Herdes oder Ofens in den heimischen Küchen genutzt“, so Weiberle.
Für ihn ist der Rebschnitt keine Kunst, vor welcher der Wengerter zurückschrecken müsste. „Am besten ist es, mit einem einigem Grundwissen, einfach ins kalte Wasser zu springen. Bei der praktischen Übung ist der Lerneffekt am größten. Schnittstile gibt es viele. Jeder Wengerter macht es so, wie er es für richtig hält. Wer mit offenen Augen in die unterschiedlichen Parzellen in den Weinbergen hineinblickt, kann dies auch als Laie erkennen“, lautet das Fazit von Weiberle, bevor er sich wieder voll und ganz dem Rebschnitt widmet. Um ihn herum ist nur Vogelgezwitscher zu hören. Aus der Ferne schlägt die Glocke in der Hohenhaslacher Georgskirche. Die Sonne wärmt Gesicht und Hände. Kein Wunder, dass Klaus Weiberle den kreativen Rebschnitt so liebt. Michaela Glemser