Gerne nehmen wir Sie mit zum "Reben schneiden".
In einem Artikel der Bietigheimer Zeitung erfahren Sie viel Interessantes über den Rebschnitt.
In einem Artikel der Bietigheimer Zeitung erfahren Sie viel Interessantes über den Rebschnitt.
Danke an die Bietigheimer Zeitung, die uns gerne die Erlaubnis zur Veröffentlichung hier gegeben hat.
Schnitt für Schnitt zum guten Wein
REPORTAGE:
In der kalten Jahreszeit ruhen die Reben in den Weinbergen. Für den Wengerter
Klaus Weiberle ist allerdings keine Zeit, die Hände in den Schoß zu legen. Mit
dem oft kontrovers diskutierten Rebschnitt legt der Hohenhaslacher die Basis
für eine erfolgreiche Weinproduktion in
diesem Jahr.
SACHSENHEIM. Ganz genau schaut sich Klaus
Weiberle den Rebstock an. Jeden Trieb und dessen Fruchtaugen begutachtet er
akribisch, bevor er mit seiner Rebschere Hand anlegt. Sein Gesicht strahlt
dabei, und dies nicht nur, weil die Sonne an diesem Vormittag die Reblagen am
Hohenhaslacher Kirchberg verwöhnt. „Ich mag diese kreative Tätigkeit des
Rebschnitts sehr. Damit kann ich dem Weinstock Form geben und sein Wuchsbild
prägen. Zudem lege ich durch den Rebschnitt den Grundstein für die kommende Weinsaison.
Durch die Anzahl der Fruchtknospen, die ich stehen lasse, bestimme ich, ob
daraus Trauben für einen Wein mit Premium- oder Basisqualität wachsen sollen“,
erklärt der Wengerter aus dem Kirbachtal.
Bereits
im Alter von acht Jahren hat Weiberle von seinem Vater Gustav den Winterschnitt
der Weinreben gelernt. Auch seinen drei Kindern hat er dieses Wissen wieder
weitergegeben. „Das Lernen des richtigen Rebschnitts ist vor allem eine Sache
der Praxis. Man lernt durch die Anwendung. Der Rebstock verzeiht viel. Auch
wenn der Rückschnitt sehr krass ausfällt, kann die Rebe noch hohen Ertrag
bringen. Es dürfen daher auch Fehler gemacht werden“, macht Weiberle deutlich.
Beim Rebschnitt verfolgt jeder Winzer seine eigene Philosophie. Es gibt viele
Methoden, die im Laufe der Jahre untersucht und ausprobiert worden sind sowie immer
noch getestet werden. Der historische Ursprung des Rebschnitts geht weit
zurück. In vorchristlicher Zeit sollen in Palästina ein Esel oder eine Ziege an
einem wilden Weinstock Triebe abgeknabbert haben, aus deren Stummeln sich
anschließend neue Triebe mit besonders saftigen, vollen Trauben entwickelten.
„In den
vergangenen 100 Jahren hat sich bei uns vor allem die klassische
Spaliererziehung durchgesetzt. Sie ist arbeitswirtschaftlich und vom Ertrag her
am sinnvollsten. Dabei wird ein Haupttrieb und ein Ersatztrieb beim
Winterschnitt stehen gelassen. Später binden wir den Haupttrieb in einem
leichten Bogen nach unten an“, erläutert Weiberle. Davon unterscheidet sich die
sogenannte Vertikoerziehung der Reben, die ebenfalls relativ weit verbreitet
ist. Dabei wachsen die Triebe vom Stamm aus vertikal nach oben und werden so
belassen. Beim Minimalschnitt wiederum, der beispielsweise in Australien häufig
zur Anwendung kommt, wird dem natürlichen, ursprünglichen Wuchs der Reben in
der Krone von Bäumen oder Sträuchern am meisten Rechnung getragen, denn der
winterliche Rebschnitt reduziert sich nur auf die Korrektur von wenigen Trieben.
„Beim Spalierschnitt dagegen kann ich am besten, auch das Jahr hindurch, noch
in den Wuchs verbessernd eingreifen. Das geschulte Auge sieht dabei auf den
ersten Blick, welche beiden Triebe am Stock verbleiben sollten. Die Triebe
dürfen keine Beschädigungen haben, da sie sonst an diesen Schadstellen später
leicht brechen könnten. 12 bis 14 Fruchtaugen lasse ich pro Trieb für eine
Basisqualität des Weines stehen. Will ich eine Premiumqualität erzielen, sind
es weniger Fruchtaugen. In diesen ist schon der spätere neue Trieb mit dem
künftigen Traubenansatz als kleiner Embryo angelegt“, betont der Wengerter aus
Hohenhaslach.
Weiberle
teilt sich die Arbeit mit seinem Vater Gustav, der mit seiner bequemer zu
handhabenden Elektroschere die Vorhut im Weinberg bildet und die meisten Triebe
an den Rebstämmen bereits wegschneidet. Sein Sohn Klaus ist für den Feinschliff
zuständig und wählt schließlich die Länge von Haupt- und Ersatztrieb aus. „Der
Ersatztrieb ist wichtig, um eventuelle Spätfrostschäden noch im April oder Mai
ausgleichen zu können. Im Bogen angebunden wird der Haupttrieb erst im
Frühjahr, wenn der Pflanzensaft fließt. Wenn der richtige Zeitpunkt erreicht
ist, sagen Fachleute, dass die Rebe weint, weil der Saft aus dem Schnitt
tropft. So lässt sich der Trieb leichter biegen und bricht nicht. Die
Rieslingreben sind elastischer, als die Lembergerreben, die viele sogar nur bei
Regen biegen wollen“, berichtet Weiberle. Durch die Biegung wird der Saft im
Trieb gestaut und im Basisbereich bilden sich zahlreiche neue Triebe aus, die
in den Drahtrahmen hineinwachsen und sich dort fest ranken. Ohne diesen Bogen
bekommt die Rute vor allem an ihrer Spitze zahlreiche Neutriebe, was den
vertikalen Wuchs fördert.
„Früher
wurden die Triebe ganz traditionell mit Weiden festgebunden. Dies ist heute
viel zu aufwändig. Wir benutzen dafür einen flexiblen, 0,8 Millimeter dünnen
Draht. Der Rebschnitt zählt insgesamt zu den arbeitsintensivsten Tätigkeiten im
Weinberg im Laufe des Jahres. Wie viele Ranken abgeschnitten werden müssen, ist
auch Sorte zu Sorte unterschiedlich. Beim viel rankenden Riesling sind es mehr
als beim Trollinger zum Beispiel. An einem Tag führen wir bis zu 10 000
Schnitte durch und sind mit einem Hektar Rebfläche 60 bis 120 Stunden
beschäftigt“, unterstreicht der Wengerter aus dem Kirbachtal. Er kann sich die
Arbeit mit dem Rebschnitt auf seinen insgesamt sechs Hektar großen Reblagen
einteilen. Weiberle nutzt meist das sonnige Wetter aus und genießt die Ruhe im
Weinberg. Das Handy ist aus, der Alltag für ein paar Stunden weit weg. „Für
mich ist der Rebschnitt draußen in der Stille der Natur eine willkommene
Abwechslung zur Arbeit im Weinkeller oder im Büro. Das Zeitfenster für den
Rebschnitt ist relativ groß. Im Prinzip können wir damit anfangen, wenn nach
dem ersten Frost die Blätter an den Reben abgefallen sind. Bis in den März
hinein kann diese Arbeit andauern. Bei Betrieben mit großen Rebflächen gibt es
natürlich sehr viel mehr zu tun. Sie stellen dafür auch Mitarbeiter ein, die
nicht nur bei strahlendem Sonnenschein aktiv sind, sondern unter Zeitdruck auch
bei nasskalter Witterung raus in den Weinberg müssen“, erzählt Weiberle.
Beim
Rebschnitt selbst lernt auch der erfahrene Wengerter nie aus. So hat der
Hohenhaslacher erst jüngst eine Schulung besucht, in der er sich über eine neue
Art des wundarmen Rebschnitts informierte. Dabei werden oben am Wundstamm durch
den Schnitt möglichst wenig Wunden verursacht, durch die der gefürchtete
Mittelmeer-Feuerschwamm eindringen könnte. Diese Pilzkrankheit trat in den
vergangenen Jahren vermehrt auch in unserer Region auf und führt zum Absterben
der Pflanze. „In Italien wurde über diese neuartige wundarme Art des
Rebschnitts sehr viel geforscht. Vor allem jüngere Rebanlagen eignen sich für
Tests. Ich probiere es in diesem Jahr aus und will sehen, ob diese Schnittart
erfolgreich ist“, stellt Weiberle fest.
Sein
Vater Gustav will von diesen Versuchen nur wenig wissen. Er hält sich lieber an
die Tradition und schneidet die Riesling-Reben, die seit 1989 in diesem
Abschnitt des Weinbergs wachsen, wie die vorangegangenen Generationen auch.
„Stirbt ein Weinstock in einer Rebanlage ab, ist es kaum möglich, diesen durch
einen jungen Stock zu ersetzen. Der Boden ist von den anderen Rebstöcken, die
jahrelang gewachsen sind, so durchwurzelt, dass der junge Rebstock sich kaum behaupten
kann. Bis zu 40 Jahre kann eine Reblage bestehen bleiben, bevor sie gerodet und
neu angelegt wird“, erklärt Weiberle. Die abgeschnittenen Triebe lässt er
übrigens in den Weinbergen liegen. Das Rebholz wird beim Mulchen klein
gehäckselt und liefert dem Boden wieder wichtige Nährstoffe, die dem Rebstock
erneut zugutekommen. „Ein Großteil des Humusbedarfs kann auf diese Weise im
Weinberg gedeckt werden. Früher wurden die abgeschnittenen Ranken eingesammelt
und zum Anfeuern des Herdes oder Ofens in den heimischen Küchen genutzt“, so
Weiberle.
Für ihn
ist der Rebschnitt keine Kunst, vor welcher der Wengerter zurückschrecken
müsste. „Am besten ist es, mit einem einigem Grundwissen, einfach ins kalte
Wasser zu springen. Bei der praktischen Übung ist der Lerneffekt am größten.
Schnittstile gibt es viele. Jeder Wengerter macht es so, wie er es für richtig
hält. Wer mit offenen Augen in die unterschiedlichen Parzellen in den
Weinbergen hineinblickt, kann dies auch als Laie erkennen“, lautet das Fazit
von Weiberle, bevor er sich wieder voll und ganz dem Rebschnitt widmet. Um ihn
herum ist nur Vogelgezwitscher zu hören. Aus der Ferne schlägt die Glocke in
der Hohenhaslacher Georgskirche. Die Sonne wärmt Gesicht und Hände. Kein
Wunder, dass Klaus Weiberle den kreativen Rebschnitt so liebt. Michaela
Glemser